Es gibt ganz unteschiedliche Kommunikationsstile. Eine einfche Kategorie, um Kommunikationsstile zu vergleichen, ist die Direktheit. Hier wollen wir die direkte versus indirekte Kommunikation an Beispielen unter die Lupe nehmen.
Wer sehr direkt kommuniziert, sagt alles explizit. Indirekte Kommunikation ist diplomatischer. Hier steckt die Botschaft auch zwischen den Zeilen.
Berliner Direktheit trifft auf britische Diplomatie
Habe ich schon erwähnt, dass ich Berlinerin bin? Was das bedeutet? Nun, manchmal vergessen wir uns. Wirklich. Jeder, der schon mal in Berlin war, wird das verstehen. Die Berliner:innen tragen ihr Herz auf der Zunge. Und manchmal auch mehr als ihr Herz. Wir haben eine schnoddrige Art und eine große Direktheit. Das ist nicht jedermanns Sache.
Als ich zum Studieren und Arbeiten nach Großbritannien ging, ist mir das das erste Mal bewusst geworden. Von den Briten habe ich gelernt, was Freundlichkeit bedeuten kann und wie man sich sehr diplomatisch ausdrückt.
Bis ich das gelernt hatte, musste ich jedoch noch einige Erfahrungen machen…
Praktikum bei der Deutschen Bank in London:
Eines Tages kam mein britischer Chef zu mir mit folgender Bitte: „Gudrun, when you have a moment, could you then please come to my desk? I would like to show you something.”
Die kleine Gudrun, die bis dato wenig Erfahrung mit britischen Vorgesetzten hatte, übersetzte diese freundliche Bitte wie folgt: „Gudrun, wenn Sie nachher mal ein wenig Zeit haben, können Sie dann bitte mal zu mir kommen? Ich möchte Ihnen gerne etwas zeigen.“ „Also“, so dachte ich, „eilig ist es nicht. Wenn ich gleich hingehe, denkt er noch, ich hätte nichts zu tun.“ Also beendete ich erst einmal in aller Seelenruhe meine aktuelle Tätigkeit und ging erst eine gute Stunde später zu meinem Manager. Anhand seines Gesichtsausdrucks merkte ich jedoch schnell, dass er mich schon viel früher erwartet hatte, nämlich eigentlich sofort.
Was war nur schiefgelaufen?
Nun, die Brit:innen verpacken Anweisungen generell in freundliche Bitten und benutzen ständig den Konjunktiv, ohne dass das irgendetwas mit Unsicherheit zu tun hätte. Es ist einfach ihre typische in der Kultur verankerte Art zu kommunizieren. Ein deutscher Manager hätte wahrscheinlich im obigen Fall gesagt: „Gudrun (bzw. Frau Höhne), können Sie mal bitte zu mir kommen. Ich muss Ihnen dringend etwas zeigen.“ Die wörtliche Übersetzung ins Englische „Gudrun, can you please come to me. I have to show you something urgently“ wäre in Großbritannien extrem unhöflich und wahrscheinlich höchstens damit zu rechtfertigen gewesen, dass es gerade in der Firma brennt und meine Hilfe lebensnotwendig ist.
Die Brit:innen pflegen im Vergleich zu Deutschen also eine mehr indirekte Kommunikation.
Ähnliches Szenario in meiner Haus-Wohngemeinschaft als Studentin in Cambridge
Ein weiteres Beispiel für direkte versus indirekte Kommunikation ist foglendes.
Ich musste für eine Prüfung lernen und saß in meinem Zimmer am Schreibtisch. Der Flur an meinem Zimmer führte direkt zur Gemeinschaftsküche, in der zwei meiner Mitbewohnerinnen fern sahen. Da die Tür von der Küche zum Flur offen war, konnte ich alles vom Fernseher mithören und mich schlecht konzentrieren. Also ging ich in den Flur und schloss die Tür mit folgenden Worten: „I am just closing the door, okay? I have to learn for an exam!“
Hast du eine Ahnung, was da los war! Meine Mitbewohnerinnen dachten, ich sei total sauer und entschuldigten sich tausendmal. Doch ich war ihnen ja gar nicht böse! Schließlich wussten sie nicht, dass ich mich gerade konzentrieren musste, und mit der geschlossenen Tür war doch nun alles in Ordnung.
Wie dem auch sei, ich lernte und nahm mir vor, das nächste Mal in ähnlicher Situation Folgendes zu sagen: „What are you watching? I would love to watch this with you. However, I have an exam tomorrow and need to study. Would you mind if I am closing the door? I cannot concentrate very well with the door open. Would that be okay for you?“ Und dabei freundlich und fragend lächeln, das ist auch noch ganz wichtig.
Wie gesagt, ich komme aus Berlin und bin von Kind auf eine sehr direkte Kommunikation gewohnt. Von den Briten habe ich viel Diplomatie gelernt. Das hat mir sehr bei meiner späteren Arbeit in international aufgestellten Unternehmen geholfen – und auch in meiner neuen Heimat München. Nur mein Mann, meine ältesten Freunde und nervige Telefonvertreter:innen bekommen noch ab und an die Berlinerin in mir zu spüren…
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